Wednesday, December 16, 2009

Lesung mit Meinung

Das schlimmste an einer Lesung ist, wenn der Moderator unfähig ist. Leider war dies der Fall. Ein Mann, angeblicher Co-Chefredaktor des Tages Anzeiger, mit äusserst schlechtem verschweizerischten Hochdeutsch und Interviewfragen, die einem nur zum Gähnen animieren. Für das Publikum, welches auf dem selben Niveau weilte, passte es aber wie die Faust aufs Auge. Traurigerweise wurde damit die Brillianz der Hauptperson nicht angemessen gewürdigt.
Günter Wallraff. Sympathisch und authentisch. Hat die Dinge mal wieder beim Namen genannt. Auch wenn ich stark bezweifle, dass seine Message wirklich bei den Leuten angekommen ist. Sie sich dadurch inspiriert und angregt fühlen um Taten folgen zu lassen. Diese Resignation ist in der Schweiz weit verbreitet.
Er las Passagen aus seinem neuen Buch von Erlebnissen als Schwarzer und Obdachloser. Dank seinem trockenen aber charmanten Humor muss man stellenweise über die Dummheit und Dreistheit der Menschen laut lachen. Dies ist wohl sein Geheimnis um vom Elend, mit dem er konfontiert ist, etwas Abstand zu gewinnen. Die Tatsache, dass seine Arbeit schon etliche Missstände aufgedeckt und sogar gerichtliche Konsequenzen für die Verursacher nach sich zog, geben ihm bestimmt zusätzlich Kraft weiter zu machen. Er selbst wurde auch schon wegen "Einschleichens" verklagt, was gesetzlich aber in der Form nicht festgehalten ist. Das Bundesgericht befand dann, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf Aufklärung solcher erheblicher Missstände habe und die wirtschaftlichen Interessen dabei zweitrangig seien. Dieser Mann hat sich zum Ziel gesetzt den Menschen eine Stimme zu geben, die sonst keine haben und sollte für uns alle ein Vorbild sein.
Er erzählte wie er einen Flüchtling, Obdachlosen und Rushti bei sich aufnahm. Das er in Griechenland als politischer Gefangener unterwegs war. Von einem Kollegen aus Ghana, der unter Lebensgefahr Drogenringe, Todeszellen in Thailand und Psychiatrien ausspioniert hat. Von Nazijournalisten und einer Anwaltselite in Deutschland, welche systematisch mit Mobbing und Privatdetektiven Menschen kaputt macht und ruiniert. Er tönte an in kommenden Projekten die elitäre Gesellschaft und den Umgang mit Alten zu dokumentieren.
Auf die Frage, welche Bereiche das "Wallraffen" wohl am Nötigsten hätten, stellte er die Gegenfrage wo es denn nicht nötig wäre. Die Gesellschaft ist ein einziger grosser Missstand. Auch der Zukunft sieht er eher düster entgegen. Die Verursacher der aktuellen Wirtschaftslage, die Banken mit ihren Spekulationen und Scheingeschäften, machen nämlich unbehelligt weiter wie bisher und müssen sich für nichts rechtfertigen. Der erneute Kollaps ist nur eine Frage der Zeit und was danach kommt, wird schlimmer als was wir heute kennen. Ganze künftige Generationen werden hochverschuldet geboren und sind gezwungen ihre Leben lang diese fremden Schulden abzugelten. Eingepfärcht in ein System das den Reichtum auf eine kleine Gruppe reduziert und den Rest weiter ausnimmt. Es sei ihm auch aufgefallen, dass viele Junge in den letzten 10 Jahren extrem angepasst daher kämen. Eine Generation, die sich dem Konsum verschrieben hat. Wohl als Reaktion auf die Resignation in der Gesellschaft gegenüber der misslichen Lage, in der wir uns befinden. Dennoch bemerke er mittlerweile das eine neue Bewegung seinen Anfang nimmt. Eine soziale und solidarische Jugend, die eine Veränderung will. Die Vorreiter unseres Systems waren damals auch als Spinner abgetan worden und heute lebt jeder danach. Man soll sich davon nicht abschrecken und entmutigen lassen. Zu einer Muslimin, die sich selbst als das neue Hassbild der Schweizer bezeichnete, sagte er sie solle doch eine Doppelrolle spielen und als konvertierte Muslimin in eine Moschee gehen.
Er erwähnte das er eine Stiftung gründen möchte, welche jungen Jornalisten, die in seine Fussstapfen treten möchten, Stipendien ermöglicht um ihre Recherchen umzusetzen. In der Freizeit ist er fasziniert von Steinen und fahre Kajak. Günter Wallraff ist einer von uns. Kämpft leidenschaftlich gegen Ausgrenzung und Ungerechtigkeit. Solch mutige Menschen braucht es mehr.

Macht öffentlich was die Öffentlichkeit nicht sehen will.

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